III. Weltliterarische Konzepte in der Verlagspraxis [chapter]

2020 Wie wird Weltliteratur gemacht?  
Nachdem die Problematik weltliterarischer Forschungsperspektiven bis hin zu weltliterarischen Konzepten des Schreibens selbst im Kontext der Besonderheiten einer lateinamerikanischen Literaturgeschichte ausführlich dargestellt worden sind, soll im Folgenden nun die Arbeit an konkreten Beispielen aus der Verlagspraxis im Vordergrund stehen. 1 Als Ausgangspunkt hilft ein Blick auf die sich derzeit verändernden Kanonisierungsprozesse karibischer Literaturen durch weltweit agierende Verlage ein
more » ... eptionelles Spannungsfeld aufzuzeigen, das sich als grundlegend für die Arbeit am Material darstellt. Im Weiteren dient dann aufgrund der besonderen Materiallagedas Lateinamerika-Programm des deutschen Suhrkamp Verlags als Rahmen für konkrete Analysen. Für diesen praxisorientierten Zugang soll nun an eine Begriffsdimension angeknüpft werden, die unter den Terminus 'Literaturen der Welt' gefasst werden kann (vgl. Ette 2004). 2 Wenngleich ähnliche Bestrebungen auch unter Beibehaltung des Weltliteraturbegriffs unternommen wurden (vgl. etwa die Arbeiten in Küpper 2013), ist das Konzept der 'Literaturen der Welt' vor allem als programmatische Modifizierung zu verstehen: Der Begriff knüpft an 'klassische' Vorstellungen von Weltliteratur zwar an, doch wird dem alten Begriff eine völlig neue Bedeutung abgewonnen, eine Bedeutung, die unverkennbar jenseits nicht nur des Nationalstaats, sondern jenseits der Nationalliteratur liegt, auch wenn diese weiterhin über äußerst wichtige Instanzen der Produktion, Reproduktion, Distribution und Rezeption verfügt. Die 'Literaturen der Welt' haben an Sesshaftigkeit verloren und in zunehmendem Maße nomadisierende, in Bewegung befindliche Denk-, Schreib-und Wahrnehmungsmuster in sich aufgenommen (Ette 2004: 179). Folgende Charakteristika gelten vergleichbar verbindlich für 1 Die Bedeutung materieller Produktions-und Distributionsprozesse als sine qua non der Weltliteratur betont auch Jorge J. Locane in seiner Studie zur Weltliteratur im lateinamerikanischen Kontext: "Así, la literatura mundial, donde, por contraste con las literaturas locales, la cadena de mediaciones y agregado de valor se dilata de modo exponencial, sería el resultado de un complejo sistema de articulaciones y sumatorias [...]. Sin las mediaciones necesarias para acondicionar el artefacto literario y ofrecerlo a esa recepción distante no hay literatura mundial" (Locane 2019: 216). 2 Dem Spannungsfeld von 'Weltliteratur' und 'Literaturen der Welt' gehe ich auch mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen in Müller (
doi:10.1515/9783110692174-003 fatcat:pe6ilmhmnjbipp57sbfwwergny