Wilhelm von Ockham als Leser der "Politica"Zur Rezeption der politischen Theorie des Aristoteles in der Ekklesiologie Ockhams [chapter]

Roberto Lambertini
Das Publikum politischer Theorie im 14. Jahrhundert  
Cum enim ipse de hac materia diffuse tractaverit et in multis rationabiliter processisse putetur, non modica occasio praebetur studiosis intelligendi, quis et qualiter inter catholicos debeat alios tarn in spiritualibus quam in temporalibus gubernare." 1 So sehr dies auch überraschen mag, diese Worte -sie stammen aus dem dritten Teil von Ockhams Dialogue (I, ii, 3), in welchem erörtert wird, ob es für die Kirche zweckmäßig sei, monarchisch regiert zu werden -beziehen sich nicht auf einen
more » ... vater oder Theologen, nicht auf einen Verfasser ekklesiologischer Traktate, sondern auf Aristoteles. Der Magister beabsichtigt, einen Beitrag zur Diskussion über die Kirchenleitung zu leisten, indem er die politische Lehre des Stagiriten erläutert und kommentiert. Wenngleich der Verweis auf Aristoteles im Zusammenhang mit ekklesiologischen Fragen sicherlich in mittelalterlichen Werken kein Unicum darstellt 2 , erweckt ein solches Vorgehen immer beträchtliches Interesse; um so mehr wenn ein Denker vom Format Ockhams am Werk ist. Tatsächlich ist im Laufe der Jahre dieser Aspekt des Werkes des franziskanischen Philosophen und Theologen nicht der Aufmerksamkeit der Forschung entgangen, wie beispielsweise schon die Arbeiten von Giovanni Tabacco, Georges de Lagarde und Mario Grignaschi zeigen 3 . * Die Ubersetzung aus dem Italienischen besorgten Arnold Bühler und Raphael Neutsch. Den Übersetzern wie auch besonders Carlo Dolcini, Jürgen Miethke, Ovidio Capitani und Andrea Tabarroni danke ich für Rat und Hilfe. 1 Guillelmus de Ockham, Dialogus de potestate papae et imperatorie III, I, ii, 3, in: Melchior Goldast, Monarchia S. Romani Imperii II (Frankfurt/M. 1614; Monumenta politica rariora 1, Torino 3 1966) [künftig: Dial.] 792. 2 Man denke nur an die Perspektiven, die vor über 50 Jahren schon Martin Grabmann eröffnet hat: Studien über den Einfluß der aristotelischen Philosophie auf die mittelalterlichen Theorien über das Verhältnis von Kirche und Staat, in: Gesammelte Akademieabhandlungen 1 (Veröffentlichungen des Grabmann-Institutes N.F. 25, Paderborn 1979) 809-965. Vgl. dazu auch die beachtenswerte Studie von Helmut G. Walther, Imperiales Königtum, Konziliarismus und Volkssouveränität. Studien zu den Grenzen des mittelalterlichen Souveränitätsgedankens (München 1976) 112-212. Fortsetzung Fußnote von Seite 207 sance de l'esprit laïque au déclin du moyen âge IV, Guillaume d'Ockham: defense de l'empire (Louvain-Paris 1962) 235-244; Mario Grignaschi, L'interprétation de la "Politique" d'Aristote dans le "Dialogue" de Guillaume d'Ockham, in: Liber Memorialis G. de Lagarde (Paris-Louvain 1970) 59-72. Weniger tiefschürfend und mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen Arthur Stephen Mc Grade, The Political Thought of William of Ockham. Personal and Institutional Principles (Cambridge Studies in Medieval Life and Thought 3, 7, Cambridge 1974) 156-162; Marino Damiata, Guglielmo d'Ockham: povertà e potere II. Il potere come servizio. Dal "principatus dominativus" al "principatus ministrativus" (Firenze 1979) 445-453, wo allerdings die Rolle des Stagiriten etwas im dunkeln bleibt. 4 Wilhelm Kölmel, Wilhelm von Ockham und seine kirchenpolitischen Schriften (Essen 1962) 89-94.
doi:10.1524/9783486594201.207 fatcat:5jm4mdohzbhypl7k277nbeugzq