Tod und Leben bei den Kpelle in Liberia
Diedrich Westermann
1922
Psychological Research
Ftir die Frage der Vorstellungen der NaturvSlker fiber die Seele ist die Art, wie sie sich das Dasein nach dem Tode vorstellen, auBerordentlich charakteristisch. DaB sie vielfach eine ganz andere Scheidung haben, eine ganz anders gerichtete Begriffsbildung als wir mit unsrer Scheidung von "KSrperlichem" und "Seelischem" (ira Sinn yon physischen und BewuBtseinstatsaehen), ist mehrfach belegt und ist auch, abgesehen yon v61kerpsychologischen Problemen, sachlieh bedeutsam. (Eine "reine
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... llung" in unserm Sinn ist m. E. bei den Kpelle nioht vorhanden.) Im folgenden sehen wir ein neues Beispiel konkretester Vorstellung yon der Art des Daseins nach dem Tode; das Mitdasein Verstorbener in der lebendigen Welt hat nicht leicht konkreteren Ausdruck gefunden als in diesen Vbrstellungen der Kpelle. Dabei ist manches charakteristisch f fir wesentliche Probleme des Denkens der NaturvSlker: es zeigen sich nicht etwa nur Ziige eines "groben Aberglaubens", sondern darin manche Beispiele charakteristiseher Denkoperationen. Die folgenden Mitteilungen aus den Ergebnissen eines Studienaufenthaltes im Innern der westafrikanischen Negerrepublik Liberia in den Jahren 1914 und 19!5 beziehen sieh auf die Kpelle. Die Kpelle wohnen zu beiden Seiten des mittieren und oberen Paulsflusses. Sie stellen eine Verbindung d~r zwischen urspriinglichen Waldnegern vor, der Art der Kruleute und einem Mandingoeinstrom aus der nSrdlichen Steppe, wobei abet dan rein negerische Elemen~ sowohl physisch wie aUgemein kulturell durchaus tiberwiegt. Sprachlich gehOren die Kpelle zu den Mandingo, d. h. gewisse Teile des Wortschatzes und einer hSheren Gr~mmatik sind dutch die Einwanderer der Sprache aufgepr~gt worden. Die KpeUe besch~ftigen sich in ihren Vorstellungen haufig und offenbar gern mit den Toten. Eine Erzi~hlung lautet: "In einer Stadt lebten vor langer Zeit zwei Mi~nner, die Freunde waren. Eines Tages machte der eine sich auf und reiste an die Kfiste.. Er verabschiedete sieh yon seinem Freunde und gab ihm seinen Bogen.zur Aufbewahrungl). Er blieb lange fort; der andere aber starb unterdessen. Der Freund kehrte yon der Kfiste zuriick und kam nahe zu seinem Dorfe. Ats er den FIuB vor dem Ort iiberschreiten wollte, saB dort sein Freund aut~ 1) Wer auf eine Reise geht, pflegt seinem Freunde als Unterpfand der Freundschaft ein Stiick seines persSnlichen Besitztums zum Verwahren zu iibergeben.
doi:10.1007/bf00410386
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