Personale oder funktionale Christologie?

Josef Ernst
2014
Es ist heute üblich geworden, die Frage nach der Christologie in dieser alternativen Weise anzugehen, wie es in der Überschrift zum Ausdruck kommt. Dabei beruft man sich gerne auf zwei Denkformen, die nicht miteinander zu vereinbaren seien. Auf der einen Seite steht das semitisch-biblische Seinsverständnis, das von der Geschichte, vom Geschehen, vom Ereignis ausgeht und von daher nach der Bedeutung und Funktion eines Menschen fragt; auf der anderen Seite steht die Verständnisweise der
more » ... -hellenistischen Welt, die über das Wesen und Sein spekuliert. Während im ersten Fall eine Person dynamisch, also von ihrem Tun her verstanden wird, geht es im zweiten Fall um das Statisch-Seiende, um das, »das stehenbleibt und dauert als mit sich Identisches in der Zeit« 1 ). In den christologischen Aussagen des Konzils von Nizäa hätte die metaphysische Betrachtungsweise der griechischen Philosophie endgültig die Herrschaft erlangt und das für die Bibel typische Denken verdrängt. Es müsse heute die Frage gestellt werden, ob es nicht notwendig sei, sich von der Umklammerung der Metaphysik zu befreien und jene Geschehenschristologie wieder stärker herauszustellen, die für das Neue Testament bestimmend sei. Es versteht sich, daß im Horizont solchen Fragens eine Besinnung auf die Grundstruktur der neutestamentlichen Christologie unumgänglich ist.
doi:10.5282/mthz/2196 fatcat:3hmgxu62gjckhgqmfltpor54xy