Sonderlinge, Psychopathen und andere Bergbewohner im "Zauberberg" [chapter]

H.-P. Schmiedebach
2015 Lebenstraum und Todesnähe  
Sonderlinge und Psychopathen sind verhaltensauffällige Personen, von denen es im Zauberberg nicht gerade wenige gibt. Im heutigen Sprachgebrauch wird der Begriff Psychopath meist als Steigerung des Wortes Sonderling gebraucht. Insbesondere, wenn es um Verbrechen geht, die uns unerklärlich erscheinen oder einen besonderen Grad von Grausamkeit besitzen, wird mit der Benutzung des Begriffes Psychopath eine Spur zu den Geisteskrankheiten gelegt. Psychopath steht synonym für Wahnsinniger. Allerdings
more » ... ist heutzutage in der medizinischen und psychiatrischen Terminologie das Wort Psychopath eher selten zu finden. Beide Termini, Sonderling und Psychopath, sind mehr in der Alltagssprache beheimatet. Dies war zu der Zeit, als Thomas Mann den Zauberberg schrieb, hinsichtlich des Begriffs Psychopath anders. In der Mitte des 19. Jahrhunderts, als sich die auf naturwissenschaftliche Basis gründende Psychiatrie formierte, tauchte in den psychiatrischen Schriften vermehrt das Wort "psychopathisch" auf, zunächst in der sehr allgemeinen Bedeutung von psychisch krank. 1 In den letzten beiden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts änderte sich dies. Mit dem Buch über die "Psychopathia sexualis" von Richard von Krafft-Ebing im Jahre 1886 wurde die Psychopathie erstmals mit einer ganz spezifischen Gruppe von Phänomenen aus dem Gebiet des Sexuallebens verknüpft, denen man damals Krankheitscharakter zusprach und die eine forensische Bedeutung besaßen. 2 Rund vier Jahre später grenzte der Direktor der Irrenanstalt Zwiefalten, Julius August Koch, eine eigene Gruppe von psychischen Störungen ab, die er in den Jahren 1891 bis 1893 in einem dreibändigen Werk über die Psychopathischen Minderwertigkeiten
doi:10.5771/9783465138778-35 fatcat:snlsktrpcffz5lcm4yelknrp74