Rinderwahnsinn, falsche Hoffnungen und Verdrängungen Replik

R Fatzer, MG Koch
2001 Swiss Medical Forum = Schweizerisches Medizin-Forum  
750 Im Gegensatz zur Scrapie, der ältesten transmissiblen spongiformen Enzephalopathie (TSE) bei Schaf und Ziege, hat BSE keine verschiedenen Stämme (strains). Dies ist einer der Gründe, weshalb man vCJD, die variante Creutzfeldt-Jakob-Krankheit, mit BSE in Verbindung bringt. In allen bisher in Edinburgh untersuchten Kühen fand sich nur ein Erreger, welcher sich von den rund 20 bekannten Scrapie-Stämmen unterscheidet, aber identisch ist mit demjenigen von Katzen, Zooungulaten und Patienten mit
more » ... CJD. Es gibt bei BSE keine «Erregervarianz». Ausser in Irland, Frankreich und vor allem England trat die vCJD noch nirgends auf. Weder in der Schweiz, Russland, Südafrika, Florida noch sonst wo sind Fälle zu verzeichnen, wie im Artikel behauptet wird. Keiner der Verdachtsfälle in diesen Ländern erwies sich als vCJD. Dasselbe gilt für das erwähnte Rind aus Österreich, das in Spanien erkrankt sein soll. Die Untersuchung nach dem Tod ergab eindeutig, dass es sich nicht um BSE gehandelt hatte. Die Übertragung von BSE auf den Menschen lag nicht a priori «auf der Hand». Die ersten epidemiologischen Forschungen ergaben einen Zusammenhang mit rezyklierten scrapieinfizierten Schafkadavern, die in Form von Tiermehl in Rinderkraftfutter gelangten. Die seit mehr als 250 Jahren bekannte Scrapie ist aber erwiesenermassen ungefährlich für den Menschen. Man hat immer in Erwägung gezogen, dass ein Speziessprung vom Rind auf den Menschen nicht ausgeschlossen werden könne. Als 4-5 Jahre nach dem Ausbruch der BSE in England auch Katzen an einer spongiformen Enzephalopathie erkrankten, deren Erreger mit dem BSE-Erreger identisch ist, wusste man, dass diesem der Sprung von einer Spezies auf eine nicht verwandte andere Spezies tatsächlich möglich war. Dass der Sprung auf den Menschen tatsächlich stattgefunden hat, ist höchstwahrscheinlich, aber noch immer nicht mit absoluter Sicherheit bewiesen. Der Anstieg der Schweizer Fälle von 14 im Jahre 1998 auf 50 im Jahre 2000 beruht nicht auf einer «Neubelebung der BSE-Epidemie», sondern eindeutig auf verbesserte Überwachung. Seit die Betriebe mit einem BSE-kran-ken Tier nicht mehr ausgemerzt werden müssen, sind die Tierhalter wieder eher bereit, ein krankes Tier zu melden. Ausserdem führte das Bundesamt für Veterinärwesen das UP99, dann UP2000 und jetzt UP2001 ein, in welchem die Firma Prionics in Zürich alle gestorbenen, notgeschlachteten und stichprobenmässig auch normal geschlachtete Tiere mit ihrem Test untersucht. Viele der im Test als positiv erkannten Tiere zeigten keine oder schwer als solche erkennbare neurologische Störungen, so dass sie klinisch nicht BSE-verdächtig waren und vor den UP-Programmen unerkannt geblieben wären. Die Infektiosität von 1 Gramm Scrapie-Material als ausreichend für 1000 Millionen (1 Milliarde) Hamster anzugeben, ist übertrieben. Der Hamster ist für BSE unempfänglich, man muss in Infektionsversuchen mit Mäusen arbeiten. Wenn man die Mengen injizierten infektiösen Materials vergleicht, die in San Francisco und Zürich für die intrazerebrale Scrapie-Infektion von Mäusen verwendet werden, kommt man auf einige zehntausend, aber nicht Milliarden Tiere. Die vertikale Übertragung von der Kuh auf das Kalb wird als Fakt hingestellt. Diese Übertragungsart wird zwar viel diskutiert, bisher hat man aber keine eindeutigen Beweise dafür. Anhand von Modellrechnungen herrscht Konsens, dass diese Ansteckungsart, falls es sie überhaupt gibt, höchstens für 1% und nicht 10-15% der Fälle in Frage kommt. Horizontale Übertragung von Tier zu Tier findet im Gegensatz zu Scrapie nicht statt. Scrapie und BSE verhalten sich in vielen Punkten prinzipiell anders, und ein Rückschluss von Scrapie auf BSE kann nicht gezogen werden, wie das in den vorliegenden Artikeln immer wieder geschieht. Dass bei keiner TSE, auch der vCJD nicht, entzündliche Veränderungen ein Merkmal sind, und dass in Kanada nicht eine Herde «Büffel» (sollte wohl heissen Bisons) sondern Wapiti-Hirsche (der «Elk» ist nicht ein Elch, sondern eben Wapiti-Hirsch!) getötet wurden, sind nur unwichtige Ungenauigkeiten, aber da diese sehr zahlreich sind, darf mit Recht an der Aussagekraft des Artikels gezweifelt werden. Dr. vet. R. Fatzer
doi:10.4414/smf.2001.04207 fatcat:4t5rcp6lqvaljbgvk43draglwm