Ein Fall von otogenem Grosshirnabszess mit Aphasie, geheilt durch Operation

Holger Mygind
1905 European Archives of Oto-Rhino-Laryngology  
v-on Prof. Dr. rood. Holger Mygind in Kopenhagen. (Mit 3 Faksimiles.) Dcr nachstehendc Beitrag zur Kasuistik der mit gliicklichem Erfolg operierten Fiille yon otogenem Grol~hirnabszel~ mag aus verschiedenen Grtindea verdieuen, verSffcntlicht zu werden. Die Patientin, eine 52j~hrige verheiratete Frau yore Lande, litt seit ihrer Kindheit an einem nicht fibelriechenden Ausflul~ aus dem linken Ohre. Nur bin und wieder hatte derselbe nachgelassen, war aber seit geraumer Zeit bedeutend sparsamer
more » ... en. Im tibrigen war Patientin his zum Auf treten ihrer jetzigen Erkrankung vollst~ndig gesund. Freitag den 23. Januar 1904 stand Patientin morgens um 6 Uhr auf and ring an, ihre gew6hnliche Tagesarbeit auszuffihren. Um 7 Uhr ging sie in das Schlafzimmer, um ihren Mann zu wecken. Sic beugte sich fiber ibn her mit den Worten : "Ja, Du hast gate Tage", and der Mann legte seinen Arm um ihren Hals und zog sie an sicb, um sie zu ktissen PlStzlicb sprach sie einige dem Mann unverst~ndliche Worte, richtete sich schnell auf and eilte durch die Kiiche in die Speisekammer, wo ihre Toehter sie gleich darauf antraf. Sie rumorte bier mit altertei Ktichengerhten umher~ die siimtlich auf den Boden fielen, and an den H~tnden hatte sie mehrere oberfli~chliehe Brandwunden, die wahrscheinlich dutch Berfihrung mit (!era warmen Herd entstanden waren. ]hr Gesiehtsausdruck war ~,ollstandig verst0rt, sie verstand yon aller Anrede gar nicbts und antwortete nut mit einzelnen, sinnlosen WOrtern. Es zeigte sich kein Erbrechen, und scheinbar war aueh keia Schwindel vorhanden. Man versucht% sie zu Bett zu bringen; allein es gelang erst nach einer Viertelstunde ihr diese Absicht vers(~ndlich zu machen ; bei der Entkleidung war sie inde[~ selber behiilflich. Patientin gibt sparer an, dal~ sie gar keine Erinnerung habe yon allem~ was sich mit ihr zuge-tragen~ seitdem sie sich fiber ihren Mann beugte and bis zu dem Augenblicke, da sie zu Bett gebracht worden war. Der herbeigerufene Arzt, Herr Dr. Camillo Nielsen in Mern, war am 1l Uhr zugegen. Patientin war klar, verstand jegliche Anrede, antwortete aber nur mit einzelnen W6rtern oder kurzen Shtzen, wie z.B. "tch kann es ja nicht sagen", oder "Ich kann ja nicht reden" u. dergl. Im fibrigen wurde durch die objektive Untersuchung keine Abnormiff~t nachgeweisen~ namentlich auch nicht in Bezug auf die Temperatur und den Puls. Verordnet wurde Epithema glaciale, Calomel. Da die Aphasie am folgenden Tage unverfmdert fortbestand~ war Dr. Camillo Nielsen der Meinung, dal~ es sich um einen Fall yon otogenem Grol~hirnabszefi handelte, and auf seine Veranlassung wurde ich zugezogen. Sonntag den 24. Januar um l Uhr mittags sah ich die Patientin zum ersten Male. Sie lag ira Bert, konnte sich aber leicht and ohne Schwindel
doi:10.1007/bf01834321 fatcat:2gt7pa25ujcr7g4jvednl6kbnu