Ein »lieber, vereinigter Ehestand ist (...) ein(e) Schuel der Tugenden.« Maria und Joseph - das ideale Ehepaar
Barbara Mikuda-Hüttel, Kritische Berichte-Zeitschrift Für Kunst- Und Kulturwissenschaften
2016
Ein »lieber, vereinigter Ehestand ist (...) ein(e) Schuel der Tugenden.« 1 M aria und Joseph das ideale Ehepaar. Die Linguistin Luise F. Pusch irrt, wenn sie meint, daß »dieses Paar, M aria und Jo seph, vollends einzigartig da(stehe): Wird doch diese M aria (...) immer an erster Stelle genannt.« Im 17. Jahrhundert konnte es nämlich durchaus vorkommen, daß M aria nicht die Erstgenannte war! 2 Im Laufe dieses Jahrhunderts, verstärkt an sei nem Ende, gewinnen M otive aus dem Leben der Hl. Familie
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... ine große Bedeutung. Als Einzelbilder oder Szenenfolgen, die meist mit der Vermählung Marias beginnen und mit dem Tod Josephs enden, lösen sie sich aus dem traditionellen mariologi schen Kontext und weisen dabei Veränderungen und Neuerungen auf. Die wichtig ste ist diejenige, dem hl. Joseph im Leben M arias und des Jesusknaben die Stellver treterschaft Gottvaters zuzuweisen und ihn als Familienoberhaupt darzustellen. Diese Phänomene sind unlösbar mit der wachsenden Wertschätzung des hl. Jo seph verbunden, die in den Ländern der Habsburger ihren Ausgang nahm: Jeder ka tholische Christ sollte dort sein Bildnis im Gebetbuch bzw. im Wohnraum aufbewah ren oder in einer Kirche aufsuchen, um täglich davor zu beten. 3 Kurz nach der Schlacht am Weißen Berg ernannte Ferdinand II. den Josephstag zum allgemeinen Feiertag (1621), und sein Nachfolger erkor den Heiligen seit 1654 zum Schutzpatron einzelner Länder, 1675 stieg er zum »Universalschutzpatronen« 4 aller Erbländer und königreiche auf, 1676 zum Hauptheiligen des gesamten römischdeutschen Rei ches, 1677 zum Patron des Kaiserhauses selbst. 5 Maria, deren Verehrung damals in ähnlicher Weise aktualisiert wurde, und Joseph waren somit am Ende des Jahrhun derts zu den wichtigsten Heiligen des Reiches geworden. Die Andacht belebten zahllose Josephs bzw. JesusM ariaJosephsBruder schaften, allen voran die Erzbruderschaft in Lilienfeld/NÖ (1653/55), die wie keine andere die Verehrung der Hl.Familie und des hl. Joseph in Zentraleuropa bestimm te. V.a. die Lage des Zisterzienserstiftes als eine der wichtigsten Stationen auf der via sacra nach M ariazell bewirkte, daß sich Orte, Pfarren und Konvente von Wien bis Magdeburg, von Trier bis Genua, Turin und Zagreb der Sodalität anschlössen. 6 Als größte Heiligenbruderschaft des Königreiches Böhmen war die Filiation in Grüssau (Krzeszöw, 1669) nicht minder einflußreich. Ebenso wie die Lilienfelder Gründung entstand sie in Verbindung mit der Protestantenmission, und schon der prominente Sodale Angelus Silesius erklärte ihre Aktivitäten damit, daß sie sich be mühe, »das Volk vollkommener zumachen.« 7 Es ging dabei nicht allein um den Rückgewinn Gläubiger, sondern auch um ideelle Qualitäten, die das Grüssauische Josephbuch folgendermaßen formuliert: »Die vornehmste Verehrung (...) Josephs ist die Nachfolge seiner Tugenden: Er war der keuscheste; halt auch du eine stand mäßige Keuschheit. Er war auf jeden Wink des Engels gehorsam; unterwirf dich de nen, die über dich gesetzt sind; in Prüfungen war er der Starkmüthigste; in deinen Widerwärtigkeiten erfülle auch du die Absichten des Himmels. Er lebte in Armut und Bedürfnis; sey auch du mit dem Stande zufrieden, zu welchem dich Gott berufen hat.« 8 Das solchermaßen vorbildliche Wirken des »Haushalter(s) dieser heiligsten Familie« 9 veranschaulichte in Grüssau ein sechzigteiliger Freskenzyklus zum The 30 kritische berichte 4/96
doi:10.11588/kb.1996.4.28424
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