Humanitäre Visa für Flüchtlinge: Einfallstor für ein unbeschränktes Asylrecht?

Shu-Perng Hwang
2018 Europarecht  
In seiner viel diskutierten "Fransson"-Entscheidung vertritt der EuGH zur Reichweite der Bindungswirkung der Grundrechtscharta für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union eine extensive Auslegung der in Art. 51 Abs. 1 GRCh vorgesehenen "Durchführung des Rechts der Union", indem er (erneut) feststellt, die Mitgliedstaaten seien insofern an die Grundrechtecharta gebunden, als dass ihre Regelungen in den Geltungsbereich des Unionsrechts fielen. "Die Anwendbarkeit des Unionsrechts umfasst die
more » ... endbarkeit der durch die Charta garantierten Grundrechte." 1 Nach Auffassung vieler Kritiker erregt diese Entscheidung deshalb großes Bedenken, weil durch sie der Anwendungsbereich der Grundrechtecharta und folglich die Kompetenz des EuGH unangemessen erweitert würden. 2 Gerade aus dieser Perspektive stellt das am 7.3.2017 ergangene Urteil des EuGH einen ganz anderen Interpretationsansatz dar. Zwar stützt sich die in Rede stehende Ablehnungsentscheidung des belgischen Ausländeramts über die von einer syrischen Familie gestellten Visumanträge unmittelbar auf die unionsrechtlichen Vorschriften und lässt sich daher offenbar als "Durchführung des Rechts der Union" qualifizieren. Doch der EuGH weist hier schlicht darauf hin, vom Sachverhalt I.
doi:10.5771/0531-2485-2018-3-269 fatcat:4qekrfb6r5fofbylbnznhrwzci