Kontinuitätsbrüche. Neue Städte neben römischen Zentren in Süd- und Westdeutschland
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Sabine [Hrsg.] Felgenhauer-Schmiedt
2007
Die Zentren römischer Archäologie sind meist nicht jene Orte, an denen sich die Frage nach spätantiker und frütimittelalterlicher Kontinuität stellt -ganz im Gegenteil. Die höchste Bedeutung für die Forschung haben gerade jene römischen Zentralorte, in denen die Befunde nicht durch mittelalterliche und erst in jüngster Zeit durch moderne Urbanisierung gestärt wurden: Äugst und Windisch, Rottweil und Xanten, Kempten und Carnuntum. Überall dort liegen die mittelalterlichen Orte nicht über,
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... neben den römischen Militär-und Zivilsiedlungen. Was sich im großen Zeitrahmen als "Siedlungsverlagerung" bezeichnen ließe, bedeutet in jedem Fall aber einen ,JContinuitätsbruch" zumindest in topographischer Hinsicht. Der mangelnde topographische Bezug erscheint je nach wissenschaftlichem Blickwinkel ent weder ganz selbstverständlich oder höchst überraschend. Im folgenden seien einige Orte mit "Kontinuitätsbruch" genauer vorgestellt, an denen neben dem römischen Zentralort nicht nur untergeordnete Siedlungen entstanden, sondern jeweils eine mittelalterliche Stadt 1 . Die Errichtung von frühen Pfarrkirchen, Klöstern und Herrensitzen in römischen Ruinenfeldern ist anders zu werten 2 . Prägnantestes und schon lange bekanntes Phänomen für eine großräumige Verlagerung zentralärtlicher Funktionen ist die Verlegung von Bischofssitzen: von Aventicum nach Lausanne; von Augusta Raurica nach Basel, vielleicht von Vindonissa nach Konstanz. Diese Kontinuitätsbrüche wurden bereits intensiv diskutiert und müssen in größeren geopolitischen Zusammenhängen erklärt werden. Hier soll es eher um mittelalterliche Städte gehen, die in unmittelbarer Nachbarschaft zu römischen Orten neu entstehen oder neu gegründet wurden -ohne daß unmittelbare topographische Argumente für die Sied lungsverlagerung und für den Kontinuitätsbruch erkennbar sind. Beim Blick auf diese Städte könnte man versuchen, drei Siedlungsmuster herauszulesen: 1. Orte, an denen neue religiöse Zentren zum Anknüpfungspunkt der mittelalterlichen Stadt wurden; 2. Orte, an denen ein frühmittelalterliches Herrschaftszentrum außerhalb der römischen Ruinen ent stand, das später zur Stadt ausgebaut wurde; und 3. Orte mit frühstädtischen Siedlungen außerhalb der römischen Ruinen, während die hochmittelalter liche Stadt wieder im römischen Siedlungsgebiet plaziert wurde.
doi:10.11588/propylaeumdok.00000042
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