Vom Gesetz zur Freiheit

Joseph Pascher
2014
Angesichts der starken Änderung in der Arbeitszeit und der Stunden öffentlichen Dienstes sowie der Umgestaltung des gesamten Lebens« hat Papst Pius XII. unter dem 19. März 1957 eine grundlegende Änderung des Nüchternheitsgebotes vor der hl. Kommunion verfügt. Kern der ganzen Neuerung ist, daß künftig nicht mehr Mitternacht Ausgangspunkt für die Zeitspanne des Gebotes ist, sondern eine genau festgelegte Frist vor dem Beginn der hl. Messe für den zelebrierenden Priester, vor dem Empfang der hl.
more » ... mmunion für alle anderen Kommunikanten. Auf die Bestimmungen selbst soll mit ihren Einzelheiten hier nicht eingegangen werden, sondern nur auf die sehr wichtige und aufschlußreiche Mahnung des Papstes: »Herzlich ermahnen wir jedoch die Priester und Gläubigen, sofern es ihnen möglich ist, die altehrwürdige Form der Nüchternheit vor der Messe oder der hl. Kommunion beizubehalten«. Das ist für den Sinn der neuen Regelung höchst aufschlußreich. Was geändert wird, ist die gesetzliche Bestimmung. Aber -und das ist bedeutsam -diese Änderung des Gesetzes besteht nicht einfach darin, daß ein Gesetz durch ein anderes, leichteres abgelöst wird. Hinter dem alten wie dem neuen taucht vielmehr eine andere Schicht auf, das Ideal, das jenseits und ohne Rücksicht auf die Bestimmungen und ihre Wandelbarkeit ihnen zugrunde liegt. Angesichts der Mahnung des Papstes wird es nicht ohne Nutzen sein, die ideale Sinngebung der eucharistischen Nüchternheit aus altehrwürdiger Vergangenheit zu erheben. Der amtliche sprachliche Ausdruck für die Nüchternheit vor dem Kommunionempfang ist »ieiunium eucharisticum«, »eucharistisches Fasten«. In der Tat muß man das Nüchternheitsgesetz heute so verstehen. Unsere Nüchternheit ist darum auch getragen von all den tiefen Beweggründen, die hinter dem Fasten der Kirche überhaupt stecken. Nur einige von ihnen sollen hier angedeutet werden: Das Fasten dient der Sühne der Sünden und der Reinigung der Seele. Es ist Buße. In der alten Bußpraxis spielt es eine große Rolle. Ja, im christlichen Leben überhaupt konnte man ohne diesen Weg der Reinigung nicht auskommen. Nicht umsonst fastete die Kirche der ältesten Zeit wenigstens an den Mittwochen und
doi:10.5282/mthz/832 fatcat:btkkgmv72vggldgobcpdmmzfye