I Vorbemerkung: Der "bessere Teil der Menschheit"
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2021
Das spätantike Rom und die stadtrömische Senatsaristokratie (395–455 n. Chr.)
IV orbemerkung: Der "bessereT eil der Menschheit" Eine Idee,eine Kunstform, keimt nie in der Menge.Die Idee, das Bild keimen in dem Einzelnen, der über der Menge steht, und sie an sich zieht. -Die Initiative geht immer vond em großen Menschen aus, nie vonder Menge.Die Elitebestimmt alles. ( GeorgBrandes 1898) Der dänische Philosoph, Literat und Literaturkritiker GeorgBrandes¹ trifft mit seiner Feststellung den Kern, der den Reiz und die Relevanz der Elitenforschungl etztlich ausmacht: "Die
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... bestimmt alles." Dies ist zweifelsohne eine äußerstp rovokante Äußerung,d ie aber in der Geschichte wie auch heute durchaus ihre Entsprechung findet.P olitische und gesellschaftliche Prozesse sind selten vone iner breiten anonymen Masse bestimmt.A uch in demokratischen Gesellschaften, in welchen das Wort Elite schon fast eine negative Konnotation annimmt,s ind es letzten Endes die (Funktions-)Eliten, welche die gesellschaftliche und politische Führung behaupten und, wie Brandes durchaus richtig erkennt,die Mengeansich ziehen. Der zeitliche Abstandvon über 1.500 Jahren lässt uns die spätantiken Senatoren Roms sehr fern erscheinen. Es ist aber vora llem ihr Verdienst als Bewahrer der antiken Kulturgüter,des Wissens und der Ideen,dass ein beträchtlicherTeil des "antiken Geistes" über das Mittelalterh inweg erhalten blieb. In der ausgehenden Antike, die nicht unbegründet als eine Zeit der Transformation, der Veränderungen und Um-brüche²,a ber auch der Krisen und des gewaltsamen Niedergangs³ aufgefasst wird, werden die senatorischen Eliten Roms und des Westens zugleich zu Bewahrern⁴ und Erneuerern ihrer Welt.I mB esonderen betrifft dies die Christianisierung des Römischen Reiches. Hier nimmt die Senatsaristokratie im 5. Jh. eine entscheidende Mittlerrolle ein, die das klassisch-pagane Erbe mit der christlichen Erneuerung verbindet, so dass letztlich das Christentum selbstzum Erben und Träger römisch-antiken Kulturgutes werden konnte. Statt die erste Hälfte des 5. Jhs. als eine Zeitaneinander gereihter Katastrophen zu verstehen, können auch die immer nochbeachtlichenKraftreserven, die erstaunliche Vitalitätund der gestalterische Wille, welcher dieser Zeit inhärent ist,hervorgehoben werden. Diese Vitalität spiegelt sich in vielen Bereichen des Kulturlebensw ider, welches wiederum maßgeblich vond er Senatsaristokratieg eprägt wurde. Restaurierungsarbeiten, Stiftungen und ebenso Neubauten, insbesondere Kirchen und Platzanlagen, bezeugeneindrucksvolldie Lebenskraft dieserZeit.Die christliche Bildwelt erreichtei hren ersten Kulminationspunkt,d er bis heute eine der wichtigstenR eferenzgrundlagen der Sakralkunst und der Imagination der christlichen Weltordnung
doi:10.1515/9783110727630-001
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