Ueber die Entstehung der Geschwülste (Fortsetzung aus No. 1.)

1895 Deutsche Medizinische Wochenschrift  
Eine zweite Drüse, bei welcher aberrirte Theile zur Geschwulstbildung führen können, ist die Mamma. Es scheint sich dann meist um Adenome zu handeln. Einen interessanten Fall beobachtete E. Martin1). Von einer supernumerären Mamma war ein Lappen abgesprengt und in ein Fibroadenom umgewandelt. Er hug mit der überzähligen I)rüse noch durch einen mikroskopisch nachweisbaren Gewebsstrang zusammen. Auch ein Theil der in der Leber vorkommenden Adenome wird auf Störungen der enibryonalen Entwickelung
more » ... ezogen. Ich selbst habe einen solchen Fall beobachtet, in welchem bei eineni l4jährigen Knaben das Organ, ohne ausser den Erscheinungen einer leichten venösen Stauung weitere Veranderungen darzubieten, sehr zahlreiche stecknadelkopf-bis höchstens erbsengrosse, auf der Schnittfläche deutlich vorspringende Knötchen enthielt, die in der Farbe mit dein übrigen Lebergewebe übereinstimmten. Mikroskopisch unterschieden sie sich von letzterem dadurch, dass die Zelistränge erheblich breiter waren. Auf Querschnitten derselben, die sonst nur aus einer oder zwei Zellen bestehen, fanden sich hier fast immer mehrere, bis zu vier und fünf, so dass diese Zellgruppen, abgesehen von dem Fehlen eines Lumens, an das Aussehen quergetroffener Drilsenschläuche erinnerten. Bei den eben besprochenen Adenomen handelt es sich nun darum, dass in sich zusammenhängende Theile von Drüsensubstanz nicht in die Organentwickelung aufgegangen sind. Aber auch hier werden wir, wie bei den Dermoiden annehmen müssen, dass nicht nur das Epithel allein, sondern dass auch das zugehörige ernährende Bindegewebe an dem Process betheiligt ist. Kommt auch dieses zur Wucherung, so entstehen Fibroadenome und Fibrome. Also auch rein bindegewebige Tumoren können auf diese Weise durch Verlagerung entstanden gedacht werden, und es ist nicht unwahrscheinlich, dass so etwas auch ausserhalb des Zusammenhanges mit Drüsengewebe möglich ist. Eine besondere Stellung den Adenomen und Dermoiden gegenüber würden nun diejenigen Verlagerungen einnehmen, bei welchen weniger typisch gebaute Epithelgebilde, also nicht Epidermis mit Bindegewebe oder Drüsenräume, sondern einzelne Zellen oder unregelmässige Zellgruppen in Betracht kommen. Ob aber derartiges beim Embryo vorkommt, darüber wissen wir nichts. Nach Cohnheim's ursprünglicher Ansicht würden auf diese Weise die Carcinome zu erklären sein, die wir ja aber jetzt zum weitaus überwiegenden Theil nicht mehr auf embryonale Keimverirrung beziehen. Am nächsten kommen diesen Formen der Verlagerung diejenigen, welche an den Kiefern beobachtet und aus Abnormitäten bei der Zahnentwickelung abgeleitet werden. Sie wurden von Malas se z2) als Débris paradentaires bezeichnet und stellen Epithelzüge dar, die bei der Bildung des Schmelzorganes nicht zur Verwendung gelangten und persistirten. Aus ihnen können überzählige Zähne3), Cysten und adenoinähnliche Bildungen4) und, wenn auch ') Langenbeck's Archiv Bd. 44, Heft 4. 2) Archives de physiologie normale et pathologique 1885. ) Hildebrand, Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. 35. ) Kruse, Virchows Archiv Bd. 124. Becker, Archiv für kim. Chirurgie Bd. 47. -Derujinsky, Wiener kIm. Wochenschrift 1890, No. 40. -Chibret, Arch. (le méd. expérim. 1892, No. 2; mit Litteratur. -Massin, Virchow's Archiv Bd. 136, S. 328. Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.
doi:10.1055/s-0029-1199618 fatcat:2yslex3rhrgsjjqw3xp7ocxyfi