Kriegserinnerungen des Obersten Franz Morgenstern aus westfälischer Zeit / hrsg. von Heinrich Meier. - (Quellen und Forschungen zur Braunschweigischen Geschichte ; 3) [book]

Franz Morgenstern, Universitätsbibliothek Braunschweig
1912
Franz Morgenstern ist am I I. Dezember 1787 zu Uslar geboren, wohin sein aus Braunschweigischem Dienste als Major verabschiedeter Vater sich zurückgezogen hatte. Seine bald darauf verwitwete Mutter kehrte 1797 nach Braunschweig zurück, und Franz bezog mit seinem älteren Bruder Fritz das Katharineum. 1802 erreichte er die Prima dieses altenGymnasiums, dessen Direktor Konrad Heusinger ihn für wohlgeeignet zu akademischen Studien erklärte und von der militärischen Laufbahn mit den Worten abriet:
more » ... orgenstern geht nicht unter das Volk». Aber die Angehörigen dachten anders. Alle Brüder des Vaters und der einzige Bruder der Mutter, Hauptmann Schönhut, hatten der Fahnegeschworen, und sein einziger Bruder war schon seit 3 Jahren Fähnrich. Und der Kriegsherr, Herzog Kar! Wilhelm Ferdinand, war der Familie sehr gewogen, denn schon lange hatten die aus Schweden vertriebenen, wegen Mangels an Subsistenzmitteln auf ihren schwedischen Adel verzichtenden Morgenstern dem Herzogtume redlich gedient. Im Februar 1803 stellte der General v. Griesheim Seiner Durchlaucht den I 5jährigen Knaben vor. Mit dem scharfen durchdringenden Blicke seinergrossen blauen Augen durchforschte der hohe Herr sein Innerstes. Lächelnd erfasste der leutselige Fürst die ganz kurz abgeschnittenen Haare des Knabenkopfes und fragte: «Wie soll aber hier wohl ein ZopfPlatz finden?» Dann aber begann er, ernster werdend, ein Examen in der Mathematik. Das fiel zur Zufriedenheit aus, und Morgenstern wurde am 8. März 1803 als Junker bei dem Regimente des Prinzen Friedrich zu Braunschweig eingestellt. In dem neuen, ihn fremdartig anstarrenden Stande vernachlässigte er die Studien keineswegs. Unter Anleitung seines Oheims trieb er Mathematik, Fortifikation, militärisches Zeichnen, sogardas Latein blieb nicht ganz liegen, weil lateinische Autoren damals bei mathematischen Studien noch einegrosse Rolle spielten. Wie in dieser Zopfperiode, wo der Gamaschendienst dominierte, alles versteinerte, empfand er mit Deutlichkeit freilich erst später. Am 3. Februar 1804 wurde er Fähnrich. 1806 erregte die Kriegserklärung Preussens an Frankreich freudige Hoffnungen. Die Braunschweiger hatten wie die Preussen die feste Überzeugung, Sieg und Ruhm könnten nicht ausbleiben. Aber der Herzog, obgleich die Hauptperson in diesem Kriege, erklärte sein Land für neutral. Natürlich ohne Wirkung. Am 26. Oktober okkupierten die Franzosen das Herzogtum. 37 braunschweigische Offiziere, Qnellen und Forschungen lU. -2darunter die beiden Morgenstern, harrten während des ganzen Jahres 1807 alsfranzösische Kriegsgefangene in Metz ihrem weiteren Schicksale entgegen. Nach Errichtung des Königreichs Westfalen wandten sie sich an den legitimen Erben des Herzogtums, Herzog Friedrich Wilhelm, mit der Bitte um Verhaltungsbefehle. Sie erhielten von ihm den Bescheid, dass er nichtferner in der Lage sei, etwas für sie zu tun. Sich dem Militärdienste des neuen Königreichs zu entziehen, war nach Einführung der Konskription ganz unmöglich. So erbat denn auch Morgenstern seine Anstellung als Sous-Lieutenant und erhielt sie am 3. Juli 1808 beim 2. Linien-Infanterie-Regimente, das in Braunschweig errichtet war, aber Ende des Jahres nach Kassel kam. Dieses Regiment ist eins von den vielen deutschen Regimentern gewesen, welche dem Kaiser Napoleon seine Schlachten geschlagen haben mit so grossem Heldenmute und solcher germanischen Vasallentreue. dass, ihr Andenken zu ehren, insofern es von französischer Seite voll schnöden Undanks unterlassen ist, nunmehr von deutscher Seite insAuge gefasst werden müsste. Und Morgenstern hat diesem Regimente volle fünf Jahre angehört. Mit ihm zog er zunächst 1809 nach Spanien. Wie dies Regiment da als Kanonenfutter hat dienen müssen, erhellt am deutlichsten daraus, dass Morgenstern in der gewöhnlichen Tour schon im August 1809 Premierleutnant und schon im November 18I 0 Kapitän wurde. Mit der von Grund aus neu formierten, ihm zu Ostern 181 1 anvertrauten dritten Kompagnie rückte er 1812 nach Russland. Von den 23000 Westfalen gelangte als geschlossene Truppe nur ein zu einer 50 Mann starken Kompagnie gesammelter Rest bis zur Beresina zurück. Völlige Neuformationen waren in.Kassel erforderlich. Morgenstern erhielt die neu errichtete 2. Grenadier-Kompagnie. Eben war er von schwerer Krankheit genesen, als die Westfalen im Juni 18'3 Marschordre erhielten. Das zweite Regiment kam nach Torgau und dann im September nach Dresden. Dies Jahr war für Morgenstern arm an kriegerischen Ereignissen, aber um so reicher an schweren inneren Kämpfen. Dresden kapitulierte erst am 1 I. November 1813. Nach Inhalt der Kapitulation wurden die Rheinbundstruppen in ihre Heimat entlassen. Von nun an blieben Morgensterns Geschicke mit dem Herzogtume Braunschweig verknüpft. Am 25. November 1813 erhielt er seine Wiederanstellung als Braunschweigischer Offizier, allerdings vor der Hand nur als Premier-Leutnant; obgleich er bei den Westfalen der älteste Kapitän im Regiment und dicht vor der Ernennung zum Stabsoffizier gewesen war. Kapitän allerdings wurde er schon wieder am 3. Januar 1814; aber bis zur Wiedererlangung seiner Anciennität hat er 16 Jahre gebraucht. Den Feldzug )8. 5 hat er als Adjutant des Generals Olfermann mitgemacht. Bei Waterloo ist er schwer verwundet. Dann kam -11,- ling übertriebene Vorstellungen hatte, zu sehr in Anspruch genommen, um das überaus reiche Gemälde in vollen Zügen geniessen zu können. Gegen Abend erreichten wir das französische Grenzdorf Pertus, über welchem auf dem höchsten Punkte der Strasse das Fort Bellegarde gleich einem Adlerhorste auf einem Felsenplateau emporragt. Ich war angewiesen, den Artillerie-Train dem Kommando des Grenzortes zu übergeben und mich mit der Kompagnie und dem Bagagetrain in Junquera, dem nächsten spanischen Städtchen, dem Regimente wieder anzuschliessen. Zuvor gewährte ich jedoch meinen ermüdeten Leuten eine einstündige Rast und vergönnte mir selbst die Annehmlichkeit der Ruhe in einer dort improvisierten Restauration, wo ichviele französische Offiziere traf, von denen einer der jüngeren sich mir freundlich anschloss. Bald waren wir in lebhafter Unterhaltung, wobei ich bemerkte, dass er mir einigemale ohne Veranlassung die Hand drückte und mich mit lauerndem Blicke ansah. Endlich eröffnete er mir, dass mirgerade heutedie Gelegenheit geboten sei, mich in den Bundder Franc-Macons [Freimaurer] aufnehmen zu lassen, indem eine improvisierte Loge Versammlung halten werde, wozu er mir seine Vermittelung anbot. Der Antrag überraschte mich einigermassen. Mein Vater war eifriger Ma(j;On gewesen; doch war ich selbst ohne Interesse an derartigen Geheimniskrämereien, aucherwog ich, dass ich als einziger Offizier die Kompagnie nicht verlassen dürfe. Diese Entschuldigung erkannte mein Herr Kamerad alsvollgültig an, so dass wir sehrfreundlich von einander schieden. Gegen Mitternacht langte ich in Junquera an. Der am 6. Mai fortgesetzte Marsch führte die Brigade nach Figueras, einer offenen Stadt etwa so gross wie Wolfenbüttel. Da die grosse Mehrzahl der Einwohner ausgewandert war, so wurden unsere Truppen kompagnieweise in die meist leeren Häuser verteilt, in denen sie von den in Perpignan emp-.fangenen Lebensmitteln Menage machten. Dassehr feste, ein regelmässiges Sechseck bildende, mit Aussenwerken versehene Fort von Figueras liegt auf einer die Stadt beherrschenden, isolierten Höhe, welche ziemlich steil hinansteigt. Diegemauerten Werke waren im vollkommensten Zustande. Die Okkupation durch französische Truppen hatte voriges Jahr in einer nicht eben nobeln Weise stattgefunden. Gleich nach dem Abmarsche von Figueras wurde Befehl erteilt, die Gewehre zu laden und im Gebirge mit höchster Vorsicht zu marschieren. Der Charakter unseres Vormarsches war demnach wesentlich verschieden vonden bisherigen Reisemärschen. Fröhlichkeit, Singen, Soldatenwitze hörten auf. Tiefer Ernst und Spannung traten an deren Stelle. Es lag eine so charakteristische Schwüle auf den Gemütern unserer jungen Mannschaften, dass es -1 2 -') Zum besseren Verständnis dient das beigefügte Croquis der Befestigung und der Umgegend von Gerona,
doi:10.24355/dbbs.084-200909101424-0 fatcat:k57aenirkjeodhjvl6ckunzg7i