2 Reparaturen in der gesprochenen Sprache [chapter]

2021 Selbstreparaturen in der schriftlichen Interaktion  
Reparaturen in der gesprochenen Sprache Deppermann/ Schmitt (2008: 220) merken in ihrem Aufsatz zur Verstehensdokumentation zurecht an, dass "Fremdverstehen und Verständigung, der Vollzug von Handlungen, die darauf angelegt sind, von anderen verstanden zu werden, [...] die Konstitutionsgründe menschlicher Sozialität und Kultur" bzw. sogar "vielleicht des menschlichen Weltverhältnisses überhaupt" sind. Während Verstehen aus psychologischer Perspektive "als [privater] mentaler Prozess"
more » ... /Schmitt 2008: 221) konzeptualisiert wird, fassen die Konversationsanalyse und die Interaktionale Linguistik, die einen theoretischen und methodischen Rahmen für die vorliegende Arbeit bereitstellen (vgl. Kap. 5), Verstehen als einen "interaktive[n] Prozess [auf], [bei dem] das Verstandene ständig im Fluss" ist (Stukenbrock 2013: 230; vgl. auch Birkner et al. 2020: 19). Dabei geht man davon aus, dass die Aushandlung des gegenseitigen Verstehens im Rahmen eines Gesprächs 2 keinen punktuellen Charakter hat, sondern eine fortlaufende interaktionale Aufgabe darstellt, die darin besteht, die Fortführung des Gesprächs sowie die Aufrechterhaltung der Intersubjektivität (vgl. Schegloff 1992) zu sichern (vgl. Stukenbrock 2013: 230; Imo/Lanwer 2019: 35). Eine basale Möglichkeit für die Herstellung der Intersubjektivität ist bereits durch die sequenzielle Organisation von Gesprächen gegeben: Jeder neu produzierte Redezug (auch Turn genannt) zeigt, wie der Sprecher den vorangehenden Redebeitrag (in einigen Fällen einen der vorangehenden Redebeiträge) des Gegenübers und/oder einige seiner Konstituenten interpretiert hat. Beispiels-|| 2 Auch für das sprachliche Handeln mit Texten spielt Verstehen einige wichtige Rolle. Im Rahmen der Verständlichkeitsforschung, die an der Schnittstelle der Linguistik und der Psychologie anzusiedeln ist, werden beispielsweise unterschiedliche Ansätze und Modelle entwickelt, mit deren Hilfe man die Verständlichkeit von Texten messen kann (für einen Überblick vgl. Göpferich-Görnert 2018). Solche Modelle werden dabei einerseits für die retrospektive Beurteilung der Verständlichkeit eines Textes verwendet. Andererseits können sie auch beim Verfassen eines Textes 'präventiv' eingesetzt werden, um den Text bezüglich seiner Verständlichkeit zu bewerten und bei Bedarf bis zu seiner Fertigstellung entsprechend zu revidieren. Es muss allerdings darauf hingewiesen werden, dass viele dieser Modelle -u.a. das Hamburger Verständlichkeitsmodell von Langer, Schulz von Thun und Tausch (vgl. Langer/Schulz von Thun/Tausch 1974) und der Heidelberger Verständlichkeitsansatz von Groeben (1978, 1982) immer wieder in Kritik geraten. Die zentralen Kritikpunkte betreffen dabei in erster Linie eine ausbleibende oder eine unzureichende Berücksichtigung der Perspektive des Adressaten eines Textes, einen zu allgemeinen Charakter der im Rahmen eines Modells aufgestellten Kategorien und die in irgendeiner Hinsicht problematische methodische Vorgehensweise bei der Erarbeitung der dem jeweiligen Modell zugrunde liegenden Verständlichkeitskriterien (vgl. Lutz 2017; Göpferich-Görnert 2018).
doi:10.1515/9783110681710-002 fatcat:uy2zmwqhejfldlgvz4mkl5dd5y