Wilhelm von Kaulbachs Vignette mit "Amor und Psyche". Zur dialektischen Aufhebung von Ikonographie [chapter]

Meike [Hrsg.] Hoffmann, Andreas [Hrsg.] Hüneke, Tobias [Hrsg.] Teumer
2019
An die Zeichnung (Abb. 81) heftet sich eine kleine Geschichte. Die Galerie Bassenge schickte mir ein Foto des Blattes mit der Frage, ob ich den Künstler zu bestimmen wüsste. Bei Bassenge hatte man aufgrund der arabesken Anlage an den weiteren Umkreis von Philipp Otto Runge gedacht. Ich konnte die Zeichnung als von Wilhelm von Kaulbach stammend identifizieren; Kaulbach hat sich mehrfach mit dem "Amor und Psyche"-Thema beschäftigt. Unter seinem Namen ging das Blatt in die Auktion, war wohl
more » ... d der Zuweisung ein wenig teurer geworden. Obwohl die Zeichnung mir entschieden gefiel und mich an frühe eigene Beschäftigung mit Kaulbach erinnerte, beschloss ich nicht mitzusteigern. Ich wäre mir etwas komisch vorgekommen und zudem hatte ich das Blatt ja selbst "verteuert". Die Zeichnung fand keinen Abnehmer, deutsche historistische Künstler des 19. Jahrhunderts haben es schwer. Dabei ist Kaulbach entschieden ein guter Zeichner, wie etwa auch Moritz von Schwind. Zu meiner Überraschung und nicht geringen Freude hat mir die Galerie Bassenge das Blatt, schön gerahmt, zu meinem 65. Geburtstag geschenkt. Da man, Goethe hat schon recht, Geschenke erst erwerben muss, um sie zu besitzen, versuche ich mich hier an der endgültigen Erwerbung. Der Anlass scheint es doppelt zu rechtfertigen: Wolfgang Wittrock wird ebenfalls 65, ist erfolgreicher Kunsthändler und hat vor allem auch eine mäzenatische Ader. Die Zeichnung, die von der Darstellung fast bis zum Rand ausgenutzt wird, so luftig sie angelegt ist, misst 24 mal 37,7 cm. Sie ist mit zartem Blei gezeichnet, in den Schattenpartien ist der Bleistaub gewischt. Selbst wenn sie stark umrissdominiert ist, so hat sie doch eine klare Licht-Schatten-Führung. Das Licht kommt, der Konvention und unserer Leserichtung entsprechend, von oben links. Die ungemein feine Linienzeichnung scheint ohne Korrekturen ausgekommen zu sein, doch genauere Betrachtung, auch mithilfe der Lupe, macht deutlich, dass offenbar eine noch feinere Unterzeichnung zugrunde liegt, deren Linien mit sicherer Hand nachgezogen und gelegentlich minimal korrigiert wurden. Die Zeichnung ist in jeder Hinsicht zentriert angelegt. Das -153 -
doi:10.11588/artdok.00006591 fatcat:ifbpuxnxzrasdc7rixk52rj4ge