Die Vorboten der ungarischen Kultur- und Sozialanthropologie
Zsófia Hacsek
2016
unpublished
Die Gründung der Österreichisch-Ungarischen Monarchie hat nicht nur die politische Situation Ungarns für die nächsten ungefähr 50 Jahre stabilisiert, sondern sie hat dadurch auch die Entwicklung der Wissenschaften und die Entstehung neuer Wissenschaftszweige ermöglicht. Vier Jahre nach dem Ausgleich zwischen Ungarn und Österreich wurde die Ethnographische Abteilung des Ungarischen Nationalmuseums gegründet. Ihr folgte dann 1889 die Ungarische Ethnographische Gesellschaft. Die Geschichte der
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... enschaften, die sich mit menschlichen Gesellschaften und Kulturen auseinandersetzen, hatte eine andere Entwicklungslinie in Ungarn als im englischen, französischen und (wegen der Abhängigkeit von Österreich besonders wichtigen) deutschen Sprachraum. Die Trennung von Ethnologie, Ethnographie, Anthropologie und anderen Nachbarwissenschaften war hier nicht so bedeutsam als in anderen Ländern. Aufgrund historischer Quellen bin ich der Frage nachgegangen, ob die "néprajz", diese unklar definierte und fast allumfassende ethnologische/ethnographische Wissenschaft, als Vorgänger der heutige Kultur- und Sozialanthropologie gesehen werden kann. Von der Analyse der Quellen habe ich den Eindruck gewonnen, dass solche Richtungen wie die sogenannte "egyetemes néprajz" oder "társadalomnéprajz" zur Zeit der Doppelmonarchie eine wichtige Rolle innerhalb der institutionalisierten "néprajz" gespielt haben, auch wenn sie wegen politisch-ideologischen Gründen häufig in den Hintergrund gestellt wurden. Tatsächlich wurde der global orientierten Ethnologie nie so eine essentielle Bedeutung zugeschrieben wie der sich mit lokalen Themen beschäftigenden Ethnographie (allerdings sind die Disziplinengrenzen im Hinblick auf die Erforschung der Bevölkerung der multiethnischen Monarchie und der Sprachverwandten sowieso unscharf). Die Ethnologie war, trotz allen Schwierigkeiten, vom Anfang an präsent, und sie kann als die Grundlage einer möglichen "kultur- und sozialanthropologischen" Richtung gesehen werden.
doi:10.25365/thesis.45823
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