Maßnahmen zum Schutz vor Carbon Leakage für CO₂-intensive Materialien im Zeitraum nach 2020

Karsten Neuhoff, William Acworth, Roland Ismer, Oliver Sartor, Lars Zetterberg
unpublished
Klimaschutz ist eine globale Herausforderung, für deren Bewäl-tigung alle Länder eine gemeinsame, aber differenzierte Verant-wortung tragen. Einzelne Länder setzen in ihrem Politikmix jedoch unterschiedlich stark auf die Bepreisung von CO 2 , so dass sich die CO 2-Preise in verschiedenen Ländern und Weltregionen noch auf längere Sicht unterscheiden können. Dann wären Maßnahmen zum Schutz vor der Verlagerung von CO 2-Emissionen (Carbon Leakage) bei CO 2-intensiven Materialien nicht nur für eine
more » ... bergangszeit, sondern auch für längere Zeiträume notwendig. Mögliche Fehlan-reize, die sich durch Carbon-Leakage-Schutzmaßnahmen ergeben, hätten dann größere Auswirkungen. Wenn Emissionszertifikate als Carbon-Leakage-Schutz kostenlos zugeteilt werden, sei es "ex ante" auf Basis historischer Daten, oder "dynamisch" auf Basis des aktuellen Produktionsniveaus, dann werden CO 2-Preisanreize für Zwischen-und Endverbraucher von CO 2-intensiven Materialien unterdrückt. Es verbleiben lediglich Anreize für Effizienzverbesserungen und Brennstoffwechsel bei der Materialproduktion. Wenn es dagegen gelingt, das CO 2-Preissignal entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu bewahren, so wer-den auch Anreize geschaffen für die Nutzung innovativer Produk-tionstechnologien wie CO 2-Abtrennung und-Speicherung (CCS), hö-herwertige Materialien, die leichter und weniger CO 2-intensiv sind, klima freundlichere Materialien und eine effizientere Nutzung von Materialien. Grenzausgleichsmaßnahmen könnten die freie Zutei-lung ersetzen und das CO 2-Preissignal entlang der gesamten Wert-schöpfungskette bewahren. Sie sind allerdings politisch umstritten. Eine ähnliche Anreizwirkung könnte mit einer Kombination von dynamischer Zuteilung von Emissionszertifikaten und der Einbezie-hung des Konsums in den Emissionshandel erreicht werden. Diese Einbeziehung des Konsums könnte als Verbrauchsabgabe gestaltet werden, so dass sie handelsrechtlich und politisch unkritisch wäre. Das Europäische Emissionshandelssystem (EU ETS) ist das Hauptinstrument der europäischen Klimapoli-tik. Die Unternehmen in den vom EU ETS regulierten Wirtschafsbereichen müssen für von ihnen verursachte CO₂-Emissionen eine entsprechende Menge von Emis-sionsberechtigungen abgeben. Der Zertifikatspreis gibt einen Anreiz für Innovation und Klimaschutz. Da es der-zeit keinen einheitlichen Weltmarktpreis für CO₂ gibt, könnten die zusätzlichen Kosten für den Erwerb dieser Zertifikate Anreize für eine Verlagerung der Produktion CO₂-intensiver Produkte in andere Regionen schaffen und somit zu einer Verlagerung von CO₂-Emissionen (Carbon Leakage) führen. Aus diesem Grund erhalten Wirtschaftssektoren, die man als anfällig für Carbon Leakage einschätzt, diese Zertifikate umsonst. Am 8. Juli 2015 forderte das Europaparlament-als Teil seiner Entscheidung bezüglich der Umsetzung der Marktstabilisierungsreserve des EU ETS-dass die Kommission einen Vorschlag machen solle, wie ein Mechanismus für den Carbon-Leakage-Schutz für die Zeit nach 2020 auszusehen hat. Im Moment wird da-rüber gesprochen, ob die vorhandenen Kriterien ver-feinert werden sollten, um die derzeit bestehende Carbon Leakage -Liste zu verkürzen 1 , ob man die Sektoren, die in dieser Liste erfasst werden, unterschiedlich be-handeln soll, oder ob man den Ansatz des EU ETS hin-sichtlich Carbon-Leakage-Schutzmaßnahmen grund-sätzlich ändern sollte. Dieser Wochenbericht beurteilt die Mechanismen zum Schutz vor Carbon Leakage für CO₂-intensive Materia-lien. Eine dezidierte Analyse CO₂-intensiver Materialien ist notwendig, denn viele Möglichkeiten für Emissions-minderungen liegen nicht nur bei den Herstellern, son-dern auch bei den Zwischen-und Endverbrauchern, also 1 Die bestehende EU-ETS-Richtlinie definiert einen Kriterienkatalog, den Sektoren erfüllen müssen, um auf die Liste zu gelangen. Dabei können verschiedene Mechanismen verwendet werden, um das Verlagerungsrisiko von Emissionen zu vermeiden. Siehe Zaklan, A., Bauer, B. (2015): Europe's Mechanism for Countering the Risk of Carbon Leakage. DIW Roundup 72.
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