Die strafrechtliche Natur der ärztlichen Behandlung

Karl Stooss
1899 Deutsche Medizinische Wochenschrift  
Standesangelegenheiten. Ifle strafrechtliche Natur der ärztlichen Behamliung. von Professor jur. Karl Stooss in Wien. Unter den Juristen ist es streitig, ob der Operateur, der in dcii Körper des Patienten einschneidet, und der innere Mediciner, der dem Kranken durch seine Arzneien Schmerz oder Unbehagen verursacht, eine Körperverletzung ausführe oder ob die ärztliche Behandlung keine Körperverletzung im Sinne des Strafgesetzes sei.') Der Streit scheint ziemlich unpraktisch zu sein. Allein
more » ... RechtsfLtlle, die allgemeines Aufsehen erregt haben, zeigen, dass es sich um eine Frage handelt, die für den Arzt sehr wichtig werden kann. Ist der operative Eingriff eine Körperverletzung im Sinne des Strafgesetzes, so hat sie der Chirurg vorsätzlich vorgenommen, und er ist wegen vorsätzlicher Körperverletzung strafbar, wenn ihn nicht ein besonderer Rechtsgrund zu diesem Eingriff berechtigt hat. Wenn angenommen würde, dieser Rechtsgrund liege vor, sobald der Eingriff den Umständen nach indicirt war oder räthlich erschien, so würde der Arzt keine Gefahr laufen, wegen vorsätzlicher Körperverletzung bestraft zu werden. Allein das Deutsche Reichsgericht oder wenigstens ein Strafsenat des Deutschen Reichsgerichts nimmt an, die operative Verwundung sei nur dann n j e h t strafbare vorsätzliche Körperverletzung,
doi:10.1055/s-0029-1200250 fatcat:6eh2777q45brdjf6gi3kx4ofze