Eine gnostische Bibliothek aus dem dritten und vierten Jahrhundert
Georg Graf
2014
Viele der bedeutendsten alten Literaturdenkmäler, welche Ägyptens Boden der Wissenschaft erhalten hat, sind nicht das glückliche Ergebnis planmäßiger Ausgrabungsarbeit, sondern sind ein Geschenk des Zufalls. Wiederholt fanden Landarbeiter (Fellachen), welche in den die Abfälle von Jahrtausenden bergenden Schutthügeln Erde ausgruben, um sie als Dung zu verwenden, Reste von beschriebenen Papyrusrollen oder auch von Buchfolättern, aus denen die nie ruhende Forschung unschätzbares Material für die
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... enntnis des Geistes-und Kulturlebens des Altertums entnahm. Freilich haben oft der Unverstand der Finder und besonders die Geschäftskniffe gewinnlüsterner Händler, in deren Besitz die kostbaren Funde in den meisten Fällen zuerst gelangten, die an sich schon mehr oder weniger schadhaften Fundstücke durch Zerreißen und Verteilen noch mehr beschädigt, so daß die zerstreuten Teilstücke mühsam wieder zusammengebracht werden mußten. Ahn-, liehe Begleitumstände liegen vor bei dem zuletzt gemachten Papyrusfund in Ägypten, der nach seinem Alter und seinem Umfang alle bisherigen Handschriftenentdeckungen weit übertrifft und nach »seinem Inhalt den wertvollsten Funden wenigstens gleichwertig an die Seite gestellt werden kann 1 ). Im Oktober 1940 wurde dem Direktor des Koptischen Museums in Altkairo 2 ), Togo Mina, ein Lederband mit losen Papyrusblättern aus Handelskreisen angeboten und von diesem in Ahnung seines Wertes sogleich für das Museum gekauft (A II). Wie sich später herausstellte, waren die Blätter von den Entdeckern aus dem Bande gelöst und durcheinandergebracht worden. Vorläufige Nachforschungen ergaben, daß der Band von Fellachen in .Ofoerägypten bei Erdarbeiten in einem als Behälter dienenden großen Krug gefunden wurde, aber auch dieses, daß das gekaufte Buch *) Im folgenden gebe ich eine übersichtliche Zusammenfassung von Berichten, welche an verschiedenen Orten jene gegeben haben, die sich zuerst mit dem in Frage stehenden Fund in wissenschaftlicher Weise beschäftigt haben. Es sind diese .Referate: Togo Mina, Le papyrus gnostique du Musee Copte, in Vigiliae Christianae. A Review of Early Christian Life and Language. Vol. II, Nr. 3 (Amsterdam 1948), S. 129 bis 136. -J. D o r esse, Trois livres gnostiques inedits, ebd. S.. 137-160. -Jean Doresse-Togo Mina, Nouveaux textes gnostiques coptes decouverts en Haute-Egypte. La bibliotheque de Chenoboskion. ebd. Vol. III, Nr. 3 (1949), S. 129-141, mit 3 Photographien. -J. Doresse, Une bibliotheque gnostique copte sur papyrus, in Bibliotheca Orientalis X, Nr. 3/4 (Leiden 1949), S. 102-104, -Derselbe, Une bibliotheque gnostique copte decouverte en Haute-Egypte in Bulletin de la Classe des Lettres et des Sciences morales et politiques, 5e Serie, T. XXXV (ßruxelles 1949), S. 435-449, mit 1 Photographie. -Andere, wohl inhaltlich gleichlautende Referate von denselben u. a. Verfassern konnten von mir nicht eingesehen werden; hervorgehoben sei: H. C. Puech et J. Doresse, Nouveaux ecrits gnostiques decouverts en Egypte, in Comptes-Rendus de rAcademiedes Inscriptions, seance du 20 fevrier 1948, S. 87--95. 2 ) Das Koptische Museum, gegründet 1908 und eingerichtet zwischen Überresten des altrömischen Kastells Babylon sammelt Altertümer und Kunstwerke aller Art aus dem Bereich des koptischen Kirchenwesehs und Volkslebens und besitzt auch eine stattliche Bibliothek mit Handschriften und mit gedruckter kunstgeschichtlicher und kirchengeschichtlier Literatur in verschiedenen Sprachen. Bis 1930 war das Koptische Museum ausschließliches Eigentum des Koptischen -Patriarchates. 'Seit Januar 1931 steht es unter staatlicher Leitung bei Wahrung und Fortdauer aller kirchlichen Stiftungsrechte. Der erste, um die Einrichtung und Erweiterung des Museums hochverdiente Direktor war Markus Simaika Pascha, gest. 1944. Sein Nachfolger wurde der bisherige Konservator, Togo Mina, der sich in Europa fachmännische Ausbildung erworben hatte. P. gr. 7, 891 B). 5 ) Ebd. Sp. 691-694. 6 ) Siehe Carl Schmidt in Sitzungsberichte d. Kgl. Preuß. Akademie d. Wiss. 1896, S. 839-847, und in Philotesia, Paul Kleinert zum LXX. Geburtstage dargebracht, 1907, S. 317-336 (nach iDoresse in Vig. Christ. II, 138 f. und in Bulletin de la Classe des Lettres a.a.O. S. 440). 7 ) Es hat inhaltlich nichts zu tun mit dem von Epiphanius haer. 62,2 (P. gr. 41,1051 D) genannten, bei den Sabellianern gebrauchten "Evangelium der Ägypter". -Inhaltsanalyse von Doresse in Vig. Ohrist. II, 140-443. 8 ) Inhaltsanalyse ebd. S. 143-146. 9 ) Inhaltsanalyse ebd. S. 146-150. "Fragen Mariens" bei den Gnostikern kennt auch Epiph. haer. 26,8 (P. gr. 41,342 D). "Die Weisheit Jesu" findet sich auch in dem genannten Berliner Papyrus-Kodex. 10 ) Vgl. Hippolyt, Refutatio V, 7: ". . . .in dem nach Thomas genannten Evengelium" (ed. P. Wendland, Hippolytus Werke III, S. 83, ZI. 13 f.) und Cyrillus von Jerusalem, Catech. IV,36 (wegen drucktechnischer Schwierigkeiten zitiere ich anstatt nach dem Original nach dem lateinischen Text in P. gr. 33,499): "Scripserunt et Manichaei secundum Thomam Evangelium, quod evengelicae appellationis fragrantia coloratum, simpliciorum animas corrumpit." 11 ) "Praeterea evangelium quoddam sub Philippi sanctissimi Christi discipuli nomine circumferunt" (P. gr. 41,351 D).
doi:10.5282/mthz/134
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