UNTERSUCHUNGEN ZUR EDDAKRITIK I

GUSTAV NECKEL
1915 Beiträge zur Geschichte der Deutschen Sprache und Literatur  
Im folgenden lege ich beobachtnngen vor, die ich bei der beschäftigung mit dem codex regius der Edda an ihm und an anderen handschrif ten gemacht habe. Es werden beobachtungen orthographisch-lautlicher, metrischer und textkritischer art sein. Nur die letzte gruppe beschäftigt sich mit dem Eddatext unmittelbar, im sinne der editionstätigkeit. Von den beiden anderen gruppen gilt dies nur indirect, zumal von dem ersten teil, der zunächst als ein beitrag zur nordischen lautgeschichte angesehen sein
more » ... möchte. I. Sprachliches. Die vocale der nebensilben. Wie die mittelalterlichen, und z. t. noch die heutigen skandinavischen mundarten, so lassen sich auch die altnordischen handschriften nach der behandlung der endungsvocale einteilen. Ein überblick über die norrönen hss. zeigt vier typen: L den e-o-typus (?, u fehlen oder sind verschwindende ausnahmen): die ältesten isländischen Codices großenteils, rygische Urkunden; II. den ^-w-typus: normal isländisch um 1300, Urkunden des (vonHsegstad so genannten) 'inneren südwestländischen'; III. den -0-typus: manche ältere isl. und einige norweg. hss.; IV. den mischtypus (e mit i, o mit u in verschiedenem Verhältnis gemischt, ohne daß die häufigkeit eines vocals so gering ist, daß von verschwindenden ausnahmen die rede sein kann). Es fragt sich, wie weit diese typen örtliche oder zeitliche Verschiedenheiten der aussprache wiedergeben. Früher hat man gelegentlich gemeint, dies sei überhaupt nicht der fall. 1 ) Daß das ein Irrtum ist, dürfte am deutlichsten aus den heutigen ') Vg-l. Sievers, Beitr. 12,485 über e-o; dagegen Kock, Arkiv 5,85f.
doi:10.1515/bgsl.1915.1915.40.48 fatcat:ny53dvdxubblflgtb7wumikija