Fremdheit und homo sacer: Über die Grenzen von Vergesellschaftung [chapter]

Edda J. Mack, Joost van Loon
2020 Subversiver Messianismus  
Anhand eines empirischen Beispielfalls versucht dieser Beitrag die Nutzbarkeit von Giorgio Agambens Theorie für die Soziologie aufzuzeigen. Agambens umfassendes Werk hat bereits Eingang in verschiedene geistesund sozialwissenschaftliche Disziplinen gefunden. Innerhalb der (deutschen) Soziologie wird Agamben allerdings eher illustrativ, eine andere Theorie lediglich unterstützend bzw. verkürzt verwendet. Durch die exemplarische Analyse eines Ereignisses, das sich am 31. Mai 2017 an einer
more » ... er Berufsschule abspielte, soll vor allem Agambens Potential für die Soziologie -über die Reduktion des Ausnahmezustands auf einen Modus staatlicher Akteure und die Reduktion der Figur des homo sacer auf den Flüchtling -aufgezeigt werden. Um das Potential von Agambens Werk zu verdeutlichen, werden im Aufsatz zwei Kernargumente herausgearbeitet. Zum einen wird auf theoretischer Ebene die Grenze des Vergesellschaftungsbegriffs (von Weber) an sich herausgestellt, auf der anderen Seite durch die soziologische Analyse des empirischen Falls die performative Gestaltung der Grenzen durch die Akteure verdeutlicht. Dabei geht es vor allem darum, aufzuzeigen, an welche Grenzen klassische Theorie angesichts aktueller Ereignisse stößt und welche Probleme entstehen, wenn man versucht, Agamben vor dem Hintergrund eben jener weberianischen Theorien auf ein Phänomen hin anzuwenden. Daraus ergibt sich für uns im Folgenden die Notwendigkeit, Agambens Theorie stärker zu soziologisieren; nicht nur um Agambens Werk gerechter zu werden, sondern v. a. das Potential auszuschöpfen, dass Agambens (rechts-) philosophisches Werk für die Soziologie birgt. Die Medienberichterstattung, die sich ab dem 31. Mai 2017 um die Kontroverse gebildet hat, sowie veröffentlichte Stellungnahmen von Polizei und Behörden, insbesondere des 2017 amtierenden bayerischen Ministers für Inneres, Joachim Herrmann, dienen als Datengrundlage für unsere soziologische Analyse.
doi:10.5771/9783896658623-181 fatcat:4u4l2twyujbvncagnmiufbg4e4