Autonomie, Reproduktion und die Leihmutterschaft. Ein Essay
Andrea Büchler
2021
Theoretisch wäre es einer der grössten Triumphe der Menschheit [...] wenn es gelänge, den verantwortlichen Akt der Kinderzeugung zu einer willkürlichen und beabsichtigten Handlung zu erheben", so Sigmund Freud vor über hundert Jahren. 2 Vom Widerfahrnis zur Entscheidung Ein Kind zu bekommen wird heute nicht mehr als Widerfahrnis empfunden, sondern meist entweder aktiv verhindert oder aber wohlüberlegt in die eigene Biografi e eingepasst. Die Einführung der Anti-Baby-Pille in den 1960ern trug
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... scheidend dazu bei. Die Zeugung im Labor ermöglicht es umgekehrt, eine Schwangerschaft auch dann herbeizuführen, wenn sie sich spontan nicht einstellt. Die Fertilisation in vitro war erstmals in Großbritannien erfolgreich, und die Geburt von Louise Brown 1978 wurde als Meilenstein der Medizin gefeiert. Seither ist sie zu einer häufi g praktizierten Variante der Zeugung avanciert. Sie hat auch den Grundstein gelegt für die Aufbewahrung, Spende, Untersuchung und Selektion von Keimzellen und Embryonen -Verfahren, die bis heute kritisch diskutiert werden. Diskutiert wird etwa, ob Frauen die Möglichkeit einzuräumen ist, Eizellen aufzubewahren, um reproduktive Zeit zu gewinnen, oder inwiefern Embryonen gespendet oder zum Zweck einer Auswahl untersucht werden dürfen. Ich werde zunächst den Rahmen zeichnen, innerhalb dessen sich Antworten auf solche Fragen bewegen, anschliessend über ein Verfahren sprechen, das für gewöhnlich Unbehagen auslöst und von ruheloser Diskussion umgeben ist: die Leihmutterschaft. 1 Die vorliegende Arbeit wurde durch den universitären Forschungsschwerpunkt Human Reproduction Reloaded der Universität Zürich unterstützt. Der Beitrag gibt zudem Überlegungen wieder oder schliesst an solche an, die im Buch Bleisch/Büchler, Kinder wollen. Über Autonomie und Verantwortung (2020) geäussert wurden. Auch einzelne Textpassagen fi nden sich bereits im genannten Buch. Bestimmtes Material wurde auch bereits in Büchler, Reproduktive Autonomie und Selbstbestimmung. Dimensionen, Umfang und Grenzen an den Anfängen menschlichen Lebens (2017) verwendet.
doi:10.5167/uzh-212880
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