Schlosstreppen um 1600 in Dänemark
Friedrich Mielke
2017
In der baugeschichtlichen Literatur gehört die schriftliche und zeichnerische Darstellung von Treppen zu den Neben sächlichkeiten, die zwar notwendigerweise vorhanden sein müssen, aber einer detaillierten Betrachtung nur dann ge würdigt werden, wenn sie mit bedeutenden Kunstformen verbunden sind. Die Narrentreppe aus dem Jahre 1578 in der Burg Trausnitz zum Beispiel wird in der Literatur nicht deswegen erwähnt, weil sie eine der frühesten vierarmigen Turmtreppen (auch "Schachttreppen" genannt)
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... uf deutschem Boden ist, deren Kern in Säulenstellungen auf gelöst wurde, sondern weil ihre Wände im Sinne einer Commedia dell'arte reich bemalt sind. Ebenso ist die Kaisertreppe der Münchener Residenz (1612)(1613)(1614)(1615)(1616) 1945 zerstört) stets gerühmt worden, aber allein wegen der reichen Dekoration, der Grundriß ist konventionell langweilig. Die Reihe der Beispiele läßt sich beliebig fortsetzen, alle be weisen, daß der Eigenwert einer Treppe nicht bekannt ist und deshalb auch nicht beachtet werden kann. Was aber heißt nun Eigenwert der Treppe? Wie in dem folgenden dänischen Beispiel dargestellt wird, setzt er sich aus mehreren Faktoren zusammen, die zunächst nichts mit Kunst zu tun haben, wohl aber mit den Absichten der Erbauer (Baumeister oder/und Bauherr). Diese Absichten können demonstrativer oder funktionaler Art sein. Indem wir versuchen, diese meist in keiner Schriftquelle aufge zeichneten, aber im Bau selbst dokumentierten Absichten zu analysieren, gewinnen wir Einblicke in latent wirk same Impulse, die von einzelnen Personen ausgehen und sich summiert zu soziologischen Aussagen verdichten. Jeder Treppenbau hat sich mit den menschlichen Fuß-und Schrittmaßen auseinanderzusetzen. Ist die Bevölkerung eines Landes, einer Stadt, einer Epoche usw. gewöhnt, steile Treppen zu steigen, werden auch die Stufenhöhen groß und die Auftritte schmal sein, wie zum Beispiel am Kolos seum (um 80 n. Chr.) in Rom. Legten die Menschen einer an deren Zeit oder anderen Gesellschaftsschicht Wert auf ge messenes Schreiten auch auf Treppen, so konnten nur flache Stufen gebaut werden wie im Barock. Treppen sind stets zeittypische Dokumente von größter Unbestechlichkeit. Während die Schriftquelle absichtlich oder unabsichtlich den wahren Tatbestand mehr oder weniger genau zu tref fen imstande ist, sind die meßbaren Fakten des Bauens, hier des Treppenhauses, objektive Belege für die mensch lichen Möglichkeiten, Wollen und Können in der Archi tektur auf einen Nenner zu bringen.
doi:10.11588/bus.1976.2.40510
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