Bissula-Eliza-Lolita: Priap als Sprachlehrer*

Paul Dräger
2001 Göttinger Forum für Altertumswissenschaft   unpublished
1. Ausonius' Liederzyklus Bissula und die Carmina Priapea Unter den Werken des spätantiken Dichters Decimus Magnus Ausonius (ca. 310 bis nach 393 / 394) findet sich ein mit De Bissula überschriebener Lieder-Zyklus 1 , gebildet aus einem Prosabrief (epistula, 0) und sechs epigrammähnli-chen Gedichten (carmina, 1-6) in unterschiedlichen Versmaßen. Der nur durch Ausonius bekannte Name Bissula bezeichnet ein aus dem Quellgebiet der Do-nau (d.h. der Baar im Schwarzwald) stammendes Sueben-Mädchen,
more » ... Au-sonius als Kriegsbeute aus einem alamannischen Feldzug des Kaisers Valen-tinian I. (364-375), dem Ausonius als Lehrer seines 359 geborenen Sohnes und seit 367 Mitregenten Gratian diente, zugefallen ist. In Frage kommt am ehesten der Feldzug von 368, der dann den terminus post quem für die Bissula-Gedichte ergäbe (jedoch ohne daß auf eine persönliche Feldzugs-Teilnahme des fast sechzigjährigen Ausonius zwingend geschlossen werden dürfte); die der Suebin in c. 3 attestierte 'akzentfreie' Aussprache des Lateinischen setzt allerdings, wenn sie nicht nur literarischer Topos sein sollte (s. c. 3,9-12, un-ten in Abschnitt 2), einen mehrjährigen Aufenthalt am Trierer Hof bzw. an der Sommerresidenz des Kaisers in Konz (Contionacum) bei Trier voraus. Ausonius hat das ihm geschenkte Mädchen offenbar sofort freigelassen (c. 3), das fortan offiziell als alumna (epist. 0,3; c. 4,2; c. 6,1) bei ihm lebte, ohne je-mals Vorwürfe wegen seines (kurzen) Sklavendaseins oder seiner Zugehörig-keit zu einem besiegten feindlichen Volk anhören zu müssen. In Wirklichkeit jedoch hatte Bissula die Rolle einer Geliebten bei Ausonius inne (der als Wit-wer seit Jahrzehnten um seine im Alter von nicht 28 Jahren verstorbene Ehe-* Erweiterte Fassung eines am 7.6.2001 auf der Mommsen-Tagung in Göttingen gehaltenen
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