Der Kairos der Basileia : die Geschichte Jesu als Ende und Wende [article]

Thomas Söding, Universitaet Tuebingen
2022
Das Christentum ist überzeugt, dass es in der Geschichte einen echten Einschnitt gibt, eine definitive Wende zum Guten, den Beginn einer neuen Ära, die wirklich neu ist. Der populäre Mythos von den Welt zeitaltern wird im Neuen Testament nicht aufgegriffen, auch wenn man später Vergils Proklamation einer neuen Ära durch die Geburt des Königskindes aus der Jungfrau (buc. 4) als eine christologische Fremd prophetie zu deuten bemüht war; Konstantin hat sie 325 seiner Eröff nungsansprache beim
more » ... n Ökumenischen Konzil von Nizäa zugrun degelegt. Im Alten Testament allerdings, beim Propheten Daniel, liefert der Mythos eine Folie zur Deutung der Weltgeschichte als Unheilsge schichte (Dan 2). Freilich bringt der Prophet geschichtstheologisch den Monotheismus Israels zu Geltung. Er hebt den Zyklus der ewigen Wie derkehr auf, der dem Mythos eingeschrieben ist, und stellt an das Ende der Geschichte das Reich Gottes, "das in Ewigkeit nicht untergeht" (Dan 2,44). Dadurch sichert er, dass die Geschichte endlich und ein malig ist; er klagt den Primat Gottes ein, aber auch der Zukunft vor der Gegenwart, des Jenseits vor dem Diesseits, der Ewigkeit vor der Zeit. Die große Zäsur setzt das Weltgericht am Jüngsten Tag (Dan 7.12) Diese apokalyptische Vision hat im Neuen Testament einen tiefen Eindruck hinterlassen.1 Johannes der Täufer macht sie sich am Ufer des Jordan zu eigen. Er verkündet das kommende Zorngericht Gottes
doi:10.15496/publikation-75864 fatcat:t5botcfn4bd7hifisbizet2ka4