Visionserwartung
[book]
Armin F. Bergmeier
2017
unpublished
Einleitung The most familiar images were not messages. They were presences. 1 Einen großen Teil unserer Erkenntnisse über die Welt der Spätantike und des Frühmittelalters beziehen wir aus den überlieferten Schriftquellen. Doch waren Bilder das maßgebliche Medium, das die vielen Umbrüche in der Spätantike begleitete, erklärte und formte. Leider ist die visuelle Kultur, mehr noch als die Texte, nur sehr fragmentarisch auf uns gekommen. Dieser lückenhafte Befund trägt dazu bei, dass der
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... ert der Bilder unterschätzt wird. Ihr Nutzen für die Rekonstruktion der historischen Wirklichkeit der Spätantike ist jedoch kaum zu überschätzen. Auch in ihrem fragmentarischen Zustand dokumentiert die visuelle Kultur ein beispielloses Interesse an göttlichen Visionen, das bislang übersehen wurde. Dieses Interesse findet sich in den Texten kaum so explizit formuliert wie in den Bildern, die zudem oft aufwendig gestaltet und gut sichtbar inszeniert waren. So war die Apsis, der Fokus spätantiker Sakralräume, der bevorzugte Ort zur Anbringung visionärer Darstellungen. Diese finden sich aber auch in anderen Bildmedien: in Buchilluminationen, in der Skulptur, in der Metall-und Kleinkunst sowie auf Ikonen. Dieses Buch ist der Versuch, dieses Interesse am Visionären in seiner Genese und seiner Auswirkung auf die visuelle und materielle Kultur des spätantiken Mittelmeerraums (ca. 300-750 n. Chr.) zu untersuchen. Eine regelrechte Visionserwartung prägte die spätantike Kultur. Der Wunsch nach visueller Teilhabe am Göttlichen, der aus der Unsichtbarkeit des christlichen Gottes resultierte, schlug sich in Bildern, Texten und der Gestaltung von Sakralräumen nieder. Theophanische Darstellungen Christi -Bilder, die neben der menschlichen auch seine göttliche Erscheinung zeigenhatten weder in der griechisch-römischen, noch in der jüdischen Antike direkte Vorläufer. Die christliche Bildsprache, die sich in der Regel durch auffällige Kontinuitäten mit antiken Traditionen auszeichnet, hat hier etwas gänzlich Neues geschaffen, dessen Wesen bislang kaum geklärt ist. Das Aufkommen von Bildern, die den göttlichen Christus darstellen, war in vorkonstantinischer Zeit kaum vorherzusehen. Zwar gab es Bilder des historischen Jesus, aber der göttliche Christus war zunächst nicht Thema von Bildschöpfungen. Ausgangspunkt der Untersuchung ist die Frage, wie die rasante Verbreitung von Bildern Gottes in nach-konstantinischer Zeit zu erklären ist, und warum diese kaum theologischen Widerspruch hervorriefen. Denn diese Bilder hätte es gemäß dem biblischen Repräsentationsverbot und den gleichlautenden Forderungen der Apologeten nicht hätte geben dürfen. Ihre Existenz verdanken diese Theophaniedarstellungen dem Umstand, dass seit dem vierten Jahrhundert Visionen als Mittel zur Umgehung des Repräsentationsverbots und zur Überwindung der Unsichtbarkeit des christlichen Gottes entdeckt wurden. Um das Göttliche sichtbar zu machen und trotzdem im Einklang mit den Überlieferungen der Bibel zu stehen, kleideten die Schöpfer christlicher Bilder diese ins Gewand ephemerer, zeitlich begrenzter und biblisch legitimierter Visionen. Die Repräsentation einer intangiblen, sphärischen Vision vermied Assoziationen mit dem paganen Statuenkult und verehrten materiellen Bildnissen. Kritische Quellen dieser Zeit beziehen sich denn auch in der Regel auf die Praxis der Bild verehrung,
doi:10.29091/9783954908356
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