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1993
Verhaltenstherapie (Basel)
Handbuch der Entspannungsverfahren. Band 1: Grundlagen und Methoden Weinheim, Psychologie Verlags Union, 379 S., DM 78,-Buchtitel zu Entspannungstechniken füllen die Regale in einschlägigen Buchläden. Einige wenige sind sortiert in der medizinischen Abteilung, einige mehr in der psychologischen und die meisten unter der Rubrik «Lebenshilfe». In populari-sierter Form nehmen sie in der Regel für sich pauschal in Anspruch, zu einer Steigerung des Wohlbefindens, einer ge-nerellen Streßimmunisierung
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... oder auch zu einer spirituellen Reifung zu führen. In klinischpsychologischer Praxis kom-men Entspannungstechniken häufig als adjuvantes Verfahren zum Einsatz (beispielsweise bei einer klassisch durchgeführ-ten systematischen Desensibilisierung). Dabei drängt sich allerdings auch in professionellen Settings mitunter der Ver-dacht auf, daß eine klar gestellte Indikation für den Einsatz eines Entspannungsverfahrens bei einem Klienten mit einer umschriebenen Störung fehlt. Die Begründungen für den Einsatz sind eher implizit und begründet über das unterstellte geringe Risiko an uner-wünschten Nebenwirkungen («kann nicht schaden»). Das im ersten Band erschienene «Handbuch der Entspan-nungsverfahren», herausgegeben von D. Vaitl und F. Petermann, stellt sich dem Anspruch, die klinische Effektivität derjenigen Entspannungsverfahren auf den Prüfstand zu stel-len, die über Jahrzehnte in die Entwicklung der klinischen Psychologie und aktuell der Verhaltensmedizin eingebunden gewesen sind. Dieser Anspruch erfordert einen scharfen Blick. Denn es geht darum, die gemeinsamen wie differentiellen Wirkfaktoren von Entspannungsverfahren zu identifi-zieren jenseits der kulturell und historisch gewachsenen «ideologischen» Eigenheiten des jeweiligen philosophisch-spirituellen Begründungszusammenhanges. Die Herausgeber gehen dabei zwei Untersuchungswege. In einem ersten umfassenden Teil stellt Dieter Vaitl in drei Beiträgen brillant die psychophysiologischen und allge-meinpsychologischen Grundlagen der Entspannungsreaktion dar. Im Kapitel zur «Psychophysiologie der Entspannung» fächert er die üblicherweise zu uniform beschriebene Entspannungsreaktion («reduction of arousal») auf in Wir-kungen auf unterschiedliche Organsysteme (neuromuskulä-re, kardiovaskuläre, respiratorische, elektrodermale, hirn-elektrische Veränderungen). Im Kapitel «lmagination und Entspannung» werden mentale Vorstellungsprozesse als die entscheidenden Vermittler zwischen einer Entspannungsin-struktion und einer Reaktion herausgearbeitet (vgl. beispielsweise bei der Hypnose). Im Kapitel «Psychophysiologie der Interozeption» liefert Vaitl noch «nebenbei» ein hochaktu-elles Review zu diesem für die Verhaltensmedizin stetig an Bedeutung gewinnenden Forschungszweig. Daß solche Wahrnehmungsprozesse eigener Körpervorgänge für die Entschlüsselung, kognitiv-emotionale Bewertung und Rück-koppelung von Entspannungsphänomenen und damit deren klinischen Gewinn ganz zentral sind, dürfte selbstverständ-lich sein.
doi:10.1159/000258799
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